Ein Pflichtverteidiger wird gemäß § 140 Abs. 1 StPO beigeordnet, wenn die Mitwirkung eines Verteidigers in einem Strafverfahren notwendig ist. Dies ist z. B. der Fall, wenn:

  • die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Landgericht oder dem Oberlandesgericht stattfindet
  • dem Beschuldigten/Angeklagten ein Verbrechen (Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsentzug) zur Last gelegt wird
  • das Verfahren zu einem Berufsverbot führen kann
  • gegen einen Beschuldigten/Angeklagten Untersuchungshaft nach den §§ 112, 112a oder einstweilige Unterbringung nach § 126a oder § 275a Abs.6 vollstreckt wird
  • eine Unterbringung in ein Psychiatrisches Krankenhaus in Frage kommt
  • ein Sicherungsverfahren durchgeführt wird
  • sich der Beschuldigte/Angeklagte seit mindestens 3 Monaten auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befunden hat und nicht mindestens zwei Wochen vor Beginn der Hauptverhandlung entlassen wird
  • wenn die zu erwartende Strafe in etwa 1 Jahr Freiheitsstrafe oder mehr beträgt

In den genannten Fällen ist das Gericht gesetzlich verpflichtet, einen Pflichtverteidiger beizuordnen. Dies geschieht unabhängig davon, ob ein Pflichtverteidiger vom Beschuldigten/Angeklagten gewollt ist oder nicht. Ein Pflichtverteidiger wird nur dann nicht bestellt, wenn der Angeschuldigte/Beschuldigte bereits einen Verteidiger hat.

 

Darüber hinaus kann dem Angeschuldigten/Beschuldigten ein Pflichtverteidiger gemäß § 140 Abs. 2 StPO auf Antrag beigeordnet, wenn:

  • die Sach- oder Rechtslage schwierig ist
  • der Beschuldigte/Angeklagte sich nicht selbst verteidigen kann

Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn Hör- oder Sprachbehinderungen bestehen, dem Geschädigten ein Anwalt beigeordnet worden ist, in der Verfahrensakte Sachverständigengutachten enthalten sind und daher eine Akteneinsicht durch den Anwalt erforderlich ist, oder ein Widerruf einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe droht.

 

Die Kosten des Pflichtverteidigers werden unabhängig von Einkommen und Vermögen vorerst von der Staatskasse getragen. Im Falle der rechtskräftigen Verurteilung werden diese Kosten in voller Höhe dem Verurteilten auferlegt (§ 465 StPO). Im Falle eines Freispruches oder einer Verfahrenseinstellung trägt die Kosten die Staatskasse.